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Einmal Polarkreis und zurück – Am Anfang war…

Schweden unsere Reise im Winter

Abenteuer Polarlicht & Schnee

Das große Warum und das kleine Weil

Warum möchte man denn da hin?

Wenn ich begeistert davon erzählte, dass es für meinen Partner Chris und meine 2 Freunde Dennis und Andi demnächst in die Kälte nach Harads in Schweden ginge, war das die erste Frage, die mir gestellt wurde. Das kann man ja nun wirklich schwer in wenige Worte fassen. Weil. Weil ist ein gutes Wort. Weil wir es können. Weil wir es möchten. Weil es anders ist, zumindest für uns, die wir hier in Mitteleuropa mit Angeboten von Traumstränden und wunderschönen Zielen in tourismusabhängigen süd- und osteuropäischen oder karibischer Gebieten gelockt werden, die zwar mit türkisen und azurblauen Gewässern und freundlichen Einheimischen aufwarten können, jedoch sogar in der Nebensaison überlaufen sind. Auch Hüttentraum(a) und Ski-Spass-Sauftour für ein bisschen Schnee fiel weder in unser Budget, noch sind wir Fans vom Hüttenurlaub. Nicht unsere Welt.
Zurück zum Weil: Weil wir eine selbstbestimmte Erholungspause brauchten, weil wir Herren unserer Zeit und unserer Wege sein wollten, unabhängig und fernab vom touristischen Einheitsblabla, touristischen Infrastrukturen und traumhafter, aber ausgelutschter Ziele der Tourismusindustrie. Das klingt jetzt ein wenig idealistisch.
Deshalb mal „in einfach“:  Weil yolo und so!

Schnee: Im Rheinland und im Ruhrpott sieht man Schnee leider nicht so oft, also kann man ihm auch mal nachreisen.
Surströming – aber das war eigentlich nur Dennis‘ Ziel. Surströming ist… irgendwie „fancy“ und skandinavisch-exotisch, oder besser: X-otisch. Und ich weiß, dass Christian das Wort „fancy“ doof findet, aber darauf einzugehen, würde zu einer großen, langen Debatte über Sprache, Sprachentwicklung, Sprachnutzergruppen und Anglizismen führen. Das wollen wir nicht, denn es geht grad um Dennis und seinen Surströming
Dieser musste als nicht importierbare Ware auf die to-do-/to-eat-Liste, denn:
1. Es ist ’ne Delikatesse,
2. die explodieren könnte
3. und dabei stinkt und alles im Umkreis von 20 Metern mit seinem fauligen Geruch ins Verderben reißt.

Wir waren ziemlich anspruchsvoll: Faulige Genussmittel, kalt, dunkel, ruhig und möglichst nicht zu teuer. Böse Zungen könnten nun behaupten: Da könnte man auch im Keller übernachten.
9 Tage.
Aber der Keller liegt ja nun mal nicht am Arsch der Welt – ha bitteschön! Und an den kommt man ja mittlerweile auch nicht mehr so schnell hin!

Wenn man vom Beruf und Alltag gestresst ist, hat man sich so eine einsame Blockhütte mitten im Nirgendwo schon verdient. Andere reisen zu Meditationsseminaren ins Kloster – wir fliegen zum Schnee. Während andere ihre inneren Befindlichkeiten erforschen und möglicherweise zu sich selbst finden, kehrten wir einfach den Alltag um. Alles MUSS und SOLL ließen wir hinter uns. Wir stellten fest, dass frühes Aufstehen den Tag bereichert – besonders, wenn es nur ca 5 Stunden Licht gibt. Zudem waren wir konfrontiert mit Einsamkeit und unerwartet stiller…. Stille. So eine Stille, von der einem die Ohren weh tun können, weil unser Stadt-Ohr so darauf versessen ist, die alltäglichen Geräusche wahrzunehmen, dass es sich überanstrengt und Ohrenschmerzen bekommen kann. Es gab nur lange Fahrtwege, egal wohin. Und es gab wenig Menschen, aber dafür große regionale Kulturzentren, die bei uns eher als größeres Dorf angesehen werden. Wir hatten viel Zeit für uns –  ganz ohne Fernseher und ablenkendes High-Speed-Internet und ergriffen dank soviel Besinnungszeit die rar gewordene, großartige Gelegenheit, unsere Freundschaft mit viel Aufeinanderhocken und der Durchsetzung individueller Bedürfnisse tiefer auszuloten, ohne Schaden zu nehmen.
Wir sind wiedergekommen mit folgendem Resümee:

Dennis:

„Tur och retur – Einmal Schweden und zurück. Selbst in der Abgeschiedenheit Norbottens fühlt man sich wohl und heimelig; fernab der deutschen Hektik. Die Mentalität der Schweden entschleunigt den Alltag schon kurz nach der Ankunft und lädt zum Verweilen ein.“

Andi:

„Es ist einfach anders, einfach und schön. Da hat Abgeschiedenheit etwas Idyllisches und Positives: Verstreute Hütten, kaum Menschen auf der Straße, kein Stress beim Einkaufen. Es sind alle super entspannt und gechillt. Positiv überrascht hat mich, dass alle Leute Englisch sprechen und sich Mühe geben und hilfsbereit sind.“

Chris:

„Es war super entspannt, weil die Menschen hier sehr gelassen sind. Mir gefiel die Stille, und dass es wirklich dunkel wird – anders als in der Großstadt. Ich brauche kein Großstadtlicht zum Einschlafen. Ich komme gern wieder.“

Jule:

„An Entspannung dieser Art, soviel selbstbestimmte Freizeit, musste ich mich wirklich erstmal gewöhnen. Das ist für hektische Stadtmenschen schon eine echte Herausforderung. Ich fand’s ok, dass die Sonne nur 4 Stunden am Tag arbeitet.. und ich würd‘ jetzt am Liebsten auswandern. Es war viel zu kurz. Wirklich… zurück nach Deutschland?“

 

Tag 1 – Wir sind in Stockholm

Eine Reise beginnt immer am Anfang. Manchmal weiß man gar nicht, dass man sich bereits auf einer Reise befindet. Ja, man reist, zum Beispiel mit dem Flugzeug, aber im Kopf fangen Reisen oft erst am Ziel an. Harads in Nordschweden war unser Ziel. Aber am Ende blicke ich zurück und merke, dass bereits der Weg dorthin gespickt war mit vielen und schönen Erfahrungen, durch die wir ein kleines bisschen gewachsen sind – über uns hinaus, hinein in die Welt. Beginnen wir doch mal ganz am Anfang:

Düsseldorf Weeze ist ja doch ein recht abgeschiedener und überschaubarer Flughafen, auf dem Billig-Airlines Flüge in die Welt bieten. Hauptsache weg und gut ankommen! Unser Flug ging erst nach Stockholm, wo wir eine Nacht als Zwischenstopp verbringen sollten. Ich hatte die Vorstellung, dass wir in unserem Hotel ankommen und noch nach Stockholm reinfahren würden, wo wir uns bis in den späten Abend hinein ein wenig dort umschauen könnten. MITNICHTEN! Manchmal hat man das Glück, ganz unerwartet einen Ort vorzufinden, an dem man sich so zuhause fühlt, dass man alle Pläne über den Haufen wirft. Dank Buchungsportalen hatte ich ein Hotel für uns Vier im Vorort Märsta / Stockholm gebucht, nah am Flughafen Arlanda, von dem aus am nächsten Morgen unser Flug nach Luleå gehen sollte.

Internetbuchung haben etwas Abenteuerliches.  Ich hatte nun, da niemanden mir für Stockholm eine Empfehlung geben konnte, das Hotel Broby Gård entdeckt, das über keine eigene Webseite verfügte. Dafür war dessen Eintrag auf verschiedenen Buchungsplattformen glücklicherweise mit Handy-Fotos von einer 80er-Jahre Badezimmer-Tapete, knusprig-kross braunen Gebäcks, hölzernen Kleiderbügeln und vielen, vielen Aufnahmen eines urigen alten Landhauses gespickt worden. Dennis und ich waren angetan vom Charme des Hauses und beseelt von dem Gedanken, irgendwo zu nächtigen, wo es auf irgendeine Weise „charismatisch charmant zauberhaft“ zuging. Wir sind übrigens erwachsen und stehen mit beiden Beinen im Leben.

brobigard-hotelVor Ort war das Hotel einfach zu finden – dank Google Maps, das in solchen Situation Gold wert ist, auch wenn ich dem ganzen Ortungs-GPS-Standort-Navi-Wahnsinn verschiedener Applikation für Web und Handy nicht bedingungslos freundlich gegenüberstehe. Wir zogen unsere Koffer von der Märsta Endhaltestelle ein oder zwei Kilometer im Dunkeln neben einer einsame Landstraße inmitten eines Industriegebietes hinter uns her, bis wir schließlich auf einem heimelig beleuchteten Kiesweg vor einem entzückenden Landhaus standen.

broby-tuer-blogAuf der Veranda luden bequeme Sofas und Sessel zum Platz nehmen ein. Durch eine grüne Holztür betraten wir den schmalen Flur, in dem sich die Rezeption befand. In den Fenstern hingen kleine, bunte elektrische Glasleuchten und gaben den Räumen ihre heimelige und gemütliche Atmosphäre. Irgendwo in den Räumen hinter der Rezeption röhrte blechern ein Radio – weit und breit war jedoch niemand zu hören und zu sehen.

broby-rezeption-blogWir warteten ein paar Minuten, suchten verstohlen nach der Rezeptionsklingel, als hinter uns jemand in den Flur drängte und wir ein wenig Gepäck herumrücken und Platz machen mussten. „Hello, I saw you walking down the street!“ – begrüßte uns Per, der Hotelwirt. Er habe gerade ein paar Gäste abgeholt und uns ankommen sehen. Wir checkten ein, kamen ein wenig dabei ins Gespräch. Ob man denn hier auch irgendwo in dieser Gegend noch etwas zu essen bekäme, fragten wir, denn wir hatten nur gefrühstückt und mittlerweile war es 18.15 Uhr. Per bot an, uns für kleines Geld Pytti-Panna zu machen, ein typisch schwedisches Gericht mit gebratenen Kartoffel- und Wurststücken, Spiegelei, roter Beete und saurer Gurke – ähnlich unserem Bauernfrühstück. Dankbar nahmen wir an und die Jungs gingen schließlich mit dem Gepäck vor in unser Zimmer, während ich kurze Zeit später ihrem Gekicher folgte: Hinauf ins obere Stockwerk, vorbei an afrikanischen Reise-Zeugnissen des Besitzers und einzigartigem, bunt zusammengewürfelten Mobiliar, einen langen Flur entlang mit Wänden, die nur so vor Errol-Flynn-Fotos strotzen.

Wer Boxspringbetten und stilvollen Einheitsbrei im edlen Creme-Nussbaum-Mix schätzt, ist im Broby Gård falsch aufgehoben und sollte sich eine Hotelkette suchen. Wir waren sehr zufrieden, hatten ein gemütliches Zimmer mit Kachelofen und Fernseher, knarzenden Holzbohlen unter dem skandinavisch bunten Webteppich und ein sauberes Bad. Unser Abendbrot nahmen wir in einem gemütlichen Esszimmer mit einem riesigen Kamin ein. Auch unser Frühstück wurde uns morgens um sechs hier bereitgestellt – da hatte sich Per, unser Gastgeber, ganz nach uns gerichtet. Wir unterhielten uns ein über unser Reiseziel und er bestätigte, dass es dort wunderschön sei. Wir erfuhren auch, dass das Haus bereits 1793 erbaut wurde und davor seit den Wikingern immer Menschen in dieser Gegend gelebt hatten. Achja, und dass man Lars eigentlich Larsch ausspricht, da wir uns über einen Film von Lars von Trier unterhielten, der am Vorabend im Fernsehen gelaufen war. – In Schweden werden Filme nicht synchronisiert, sondern einfach im Original mit Untertitel ausgestrahlt. – Für einen geringen Preis von umgerechnet ca. 5 Euro brachte er uns und unser Gepäck zum Flughafen in der Nähe. Wer bewegt sich in Deutschland für 5 Euro mit solcher Hingabe und Freundlichkeit überhaupt aus dem Haus? So wie in Schweden: Jemand, der nicht nur mit dem Blick aufs Geld den Wert seiner Arbeit misst, sondern in allem, was er tut Leidenschaft, Freude und Freundlichkeit einfließen lassen kann. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege: Man bricht sich keinen Zacken aus der Krone, um freundlich zu sein. Das Leben ist entspannter mit einer solchen Gelassenheit, wie wir in den folgenden Tagen feststellen durften. Als Mensch ist man entspannter. Wir waren so beeindruckt von dieser Gastlichkeit und Hilfsbereitschaft, dass wir im Broby Gård sehr gern wieder einkehren würden und möchten es an dieser Stelle unbedingt empfehlen.

loka-blog

 

Bald geht es weiter mit dem nächsten Teil der Reise.
Bilder unserer Schwedenreise findet Ihr übrigens hier:                         https://www.flickr.com/photos/150680085@N07/albums/72157676874805391/with/31162501754/

Achja… hier mal die Kamera-Selfies mit uns Nasen
Mit C, mit D, mit A 😉

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